Ratio

Ratio
   , Rationalismus
   Die häufigste Bedeutung des lat. ”ratio“ ist Erkenntnisvermögen. Seine Aktivierungsgestalten sind nach der Tradition dieWissenschaft (”scientia“) u. die Weisheit (”sapientia“). Das menschliche Erkenntnisvermögen gilt beim Erfassen u. Begreifen als abhängig von der Anschauung, von der aus es Begriffe u. Grundsätze formuliert. Der Bereich dieses Schlußfolgerns heißt traditionell ”ratiocinatio“, die schlußfolgernde Tätigkeit ”Diskurs“. – Rationalismus heißt seit dem 16. Jh. die Meinung, dem bloßen Denken komme bei der Erkenntnis ein höherer Rang zu als der Empirie (Erfahrung). Mit der Aufklärung wird diese Wertung im Hinblick auf den Offenbarungsglauben u. religiöse Traditionen vorgenommen; diesen gegenüber müsse das vernünftig begründete Denken als überlegen gelten. Seither bezeichnet R. in der Philosophie die Forderung nach Begründungen, Erklärungen u. Ableitungen alles dessen, was für die Empiriker als Tatsachen feststeht. Programme für rationale Beweisgänge wurden für die unterschiedlichsten Wissenschaften entworfen. Der Kritische R .“ (K. Popper †1994, H. Albert) hält es nicht für möglich, wissenschaftliche Sätze durch empirische Beobachtungen zu ”verifizieren“ oder als Wahrheiten zu begründen; statt dessen gilt nur dasjenige als ”wissenschaftlich “, was prinzipiell ”falsifizierbar“ ist. – In der ev. Theologie galten diejenigen als ”Rationalisten“, für die im Gefolge I. Kants († 1804) Fragen nach der Religion in den Bereich der Ethik, der praktischen, nicht der theoretischen Vernunft gehören. Im Katholizismus wurden alle als ”Rationalisten“ angesehen, die in Fällen des Konflikts zwischen Autoritätsansprüchen u. autonomer Vernunft für die höhere Geltung der Vernunft plädierten. Den Ursprung dieses Denkens sah man in der Aufklärung u. im Protestantismus; es wurde im 19. Jh. zusammen mit Materialismus u. Pantheismus als größte Gefahr für den kath. Glauben angesehen. Theologen, die versuchten, die Wahrheit des Offenbarungsglaubens vor dem Forum der Vernunft zu verteidigen, was angesichts der neuzeitlichenMentalität lebensnotwendig war, wurden als ”Rationalisten“ durch Pius IX. († 1878) u. das I. Vaticanum administrativ u. dogmatisch bekämpft: G. Hermes († 1831), A. Günther († 1863), J. Frohschammer († 1893). Abzulehnender ”R. in der Theologie wäre es, wenn der Theologe sich in seiner Aussage nicht bewußt bliebe der Analogheit seiner Begriffe, des letztlich anbetenden u. preisenden Charakters des christlichen Bekenntnisses, der Verwiesenheit der satzhaften Aussage von sich weg auf die wirkliche Person, auf die hin u. von sich weg jeder theol. Satz hinweisen will (auf Gott u. seine Verfügung selbst), der offenen Verwiesenheit alles Ergreifens u. Begreifens in die Ergriffenheit durch das unbegreifliche Mysterium selbst“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 308 f.).

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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